HDI Berater - Ausgabe 02/2021

HDI Berater Herbst 2021 15

Bundestagswahl 2021 Wie betrifft die Wahl die Versicherungswirtschaft?

einer „Zwei-Klassen-Medizin“ entgegenzuwirken, sowie in der Beitragsstabilisierung und in der Schaf- fung größerer sozialer Gerechtigkeit. Dem wird die Einschränkung der Rechte der Versicherer und der Versicherungsnehmenden entgegengehalten, die letztlich ihre Wahlmöglichkeit verlieren würden. CDU/CSU lehnen die Aufhebung des dualen Systems in ihrem Wahlprogram ab. Die FDP geht sogar darüber hinaus und plädiert für eine größere Flexi- bilität dahingehend, dass Versicherungsnehmende einfacher zwischen dem privaten und dem gesetz- lichen System wechseln können. Bündnis 90 / Die Grünen, die SPD sowie die Linke fordern in ihren Wahlprogrammen ausdrücklich eine Bürgerver- sicherung. Die Linke fordert sogar eine „Vollver- sicherung“, die sämtliche in Deutschland lebenden Menschen umfassen soll und zu der diese auch beitragen sollen. Die Finanzierung soll aus Lohn-, Kapital- und weiteren Einkommensquellen wie Vermietung und Verpachtung stammen. Das gegenwärtige politische Klima sowie aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass es nach der Bundestagswahl am 26. September 2021 zu beachtlichen Änderungen kommen könnte, auch wenn über deren konkrete Ausgestaltung zurzeit nur spekuliert werden kann. Die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien lassen allerdings vermuten, dass sich die Versicherungs- wirtschaft auf die „neue Welt“ nach Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel einstellen muss. Insbesondere in den ersten Monaten nach Schließen des Koalitionsvertrags werden Ver- sicherer, Vermittler und Versicherungsnehmende gut beraten sein, Entwicklungen zu überwachen, um besser einschätzen zu können, welche Ziele bevorzugt umgesetzt werden sollen.

Am 26. September 2021 findet in Deutschland die Wahl zum 20. Bundestag statt. Damit endet die Regierungszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die 2005 nach vorgezogenen Bundes- tagswahlen Gerhard Schröder als Bundeskanzler abgelöst hatte. Die politische Stimmung im Land deutet in der Tat darauf hin, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer bisher auf Bundesebene nicht bekannten Koalitionsbildung kommen wird. Umfragen zufolge scheint es für eine Fortsetzung der Großen Koali- tion nicht auszureichen, wobei derzeit noch nicht absehbar ist, welche „Farbenlehre“ im Bundestag die Mehrheit erreichen wird bzw. wie viele Parteien hieran beteiligt sein werden. Der Wunsch nach Veränderung ist dabei auch innerhalb der großen Volksparteien CDU und SPD erkennbar. In beiden Parteien wird inzwischen offen über die bevorzugte politische Ausrichtung diskutiert bzw. gestritten. Die Wählerpräferenz und parteipolitische Dynamik haben sich zweifelsohne auf die Wahlprogramme, insbesondere der großen Volksparteien, ausgewirkt (die Wahlprogramme der derzeit im Bundestag vertretenen Parteien sind abrufbar unter: https:// www.bundestagswahl-2021.de/wahlprogramme/). So hat die CDU nach phasenweise steigenden Umfragewerten von Bündnis 90 / Die Grünen den Klimaschutz zu einem der Kernpunkte ihres Wahlprogramms gemacht, einschließlich des Aus- baus erneuerbarer Energien sowie des Ziels der Klimaneutralität bis 2045. Die SPD, die sich seit Monaten im Umfragetief befindet, wirbt mit einem neuen Steuerkonzept, das insbesondere die Mittel- klasse entlasten soll. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob bereits – ausgehend von den respektiven Wahl- programmen – mögliche Auswirkungen auf die Versicherungswirtschaft erkennbar sind. Ein wesentliches Thema betrifft die Unter- nehmensbesteuerung sowie die Aufsicht der Finanzdienstleistungsindustrie , wozu unterschiedlich Position bezogen wird. CDU/CSU fordern in ihrem Wahlprogramm zugunsten der

Wettbewerbsfähigkeit eine Senkung der Unter- nehmensbesteuerung. Insbesondere wird eine Deckelung der Gewinnbesteuerung bei 25 Prozent vorgeschlagen, wodurch das Investitionsklima verbessert werden soll. Im Hinblick auf die Auf- sicht der Finanzdienstleistungen setzen CDU/CSU auf einen Bürokratieabbau und Regelmodernisie- rung, ebenfalls um Deutschland als Finanzplatz wettbewerbsfähiger zu gestalten. Bündnis 90 / Die Grünen fordern dagegen eine „Stärkung und kompetente Besetzung“ der Versicherungsauf- sicht mit ausgebauten Befugnissen. Zudem sollen Versicherer verpflichtet werden, Klimarisiken offenzulegen und mit Eigenkapital zu unterlegen. Diese Ausrichtung wird auch von der SPD und den Linken bevorzugt. Insbesondere Bündnis 90 / Die Grünen fordern zudem die Abschaffung der Ab - geltungssteuer für Kapitalerträge, die Einführung neuer Offenlegungspflichten für Konzerngewinne sowie einen Mindeststeuersatz für die Unterneh- menssteuer von 25 Prozent. Versicherungsvermittler warnen zudem vor der Verabschiedung gesetzlicher Initiativen zur stärkeren Aufsicht der Vermittlertätigkeit, insbe- sondere in der Lebensversicherung. So befürchtet der Bundesverband Deutscher Versicherungs- kaufleute (BVK) eine Provisionsdeckelung sowie eine Umstellung von einer provisionsbedingten Vergütung hin zu einer „Mischvergütung“ be- stehend aus Provisions- und Honoraranteilen. Entsprechende Ansätze werden von den Linken sowie Bündnis 90 / Die Grünen gefordert. CDU/ CSU lehnen dagegen eine Änderung des bestehen- den Vergütungssystems ab. Den jeweiligen Wahlprogrammen zufolge scheint ein weiterer Streitpunkt in der Forderung einer Bürgerversicherung zu liegen. Demzufolge wäre das aus der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung bestehende duale System zugunsten eines einheitlichen Systems aufzugeben. Es bestünden gleiche Bedingungen für alle Ver­ sicherungsnehmenden, wobei auch Sonderrege- lungen wie die Versicherungspflichtgrenze für Besserverdienende wegfallen würden. Die Ratio der Bürgerversicherung besteht in der Absicht,

RA Phillip K. Schulz, LL.M. Head of Guidance – Principles, Products & Legal HDI Global SE

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